In gar nicht so wenigen Beiträgen dieses Blogs habe ich mich mit Arbeiterfotografie – ihrer Geschichte, ihrer Theorie, ihren Protagonisten – beschäftigt. Ich werde auch immer wieder auf dieses Thema zurückkommen. Zum Glück gibt es mittlerweile einiges an Literatur, und ich will nicht bloß wiederkäuen, was andere bereits intensiv und in mühevoller Kleinarbeit erforscht haben.

„Macht Arbeiterfotografie heute noch Sinn“, „Wie könnte Arbeiterfotografie heute ausschauen“ – das sind Themen, über die ich gelegentlich diskutiert. „Gelegentlich“, weil der Interessentenkreis zu diesem Thema leider sehr begrenzt ist.

Natürlich gibt es da die politisch-theoretischen Bedenken: Gibt es „die Arbeiter“ (bzw.: „die Arbeiterinnen“) als historisches Subjekt überhaupt noch? Oder sind die eh schon längst zu saturierten Kleinbürgerinnen- und bürgern verkommen? Sind nicht die „Prekären“ das neue Proletariat? Und was ist mit den Studierenden?

Ich verwende sehr gerne den Begriff der „Lohnabhängigen“ als Substitut für den Proletariatsbegriff; und ich gehe ketzerisch so weit, dass ich auch viele „Selbständige“ in diesen Begriff einbeziehe. Jene „freien Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen“, die glauben, sie wären „frei“, weil man ihnen einen Gewerbeschein und die Mitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer aufgedrängt hat; die sich als etwas „Besseres“ fühlen, weil sie ja „Kleinunternehmer“ sind – und dabei sind sie nichts anderes als outgesourcte Arbeiter oder Angestellte, die mit weniger sozialem Schutz und höherem Druck genau die gleichen Arbeiten machen wie früher, als man sie noch nicht prekarisiert und aus dem sozialen Verband der gemeinsamen Produktion (geistiger wie manueller Art) herausgerissen hat.

Ja, Marx hat recht – aus der „Klasse an sich“ muss eine „Klasse für sich“ werden. Die atomisierten Teilchen der Masse der Lohnabhängigen müssen sich zusammenschließen, ihre gemeinsamen Interessen erkennen und versuchen, diese gemeinsam durchzusetzen, um zu einer Klasse „für sich“ zu werden. Erschreckenderweise ist diese Aufgabe, die das 200jährige Geburtstagskind Karl Marx 1847 gemeinsam mit seinem Freund Friedrich Engels definiert hat, heute schon wieder genauso aktuell. Eine lange Geschichte von Aufstieg, Verrat, Niederlagen der Arbeiterbewegung stellt viele Fragen genauso scharf wie in den Jahren ihrer Formierung.

Und, um die Kurve zu kratzen – genau in solch einer historischen Situation, die durch mehr Defensive als Offensive, durch mehr Grundlagenarbeit als Utopie geprägt ist, kann und muss eine „neue“ Arbeiterfotografie aufblühen.

Nehmen wir nur ein klitzekleines Beispiel: Wie viele Initiativen von unten (kleine politische Organisationen, Gewerkschaftsaktivistinnen und Aktivisten, Betriebsräte, Komitees aller Art) raufen damit, für ihre Infoblätter, Bulletins, Zeitungen usw.  Illustrationen zu finden, die frei, also ohne Honorarforderungen, zur Verfügung stehen?

Gewiss – als Sozialist (und nein, das ist nicht ident mit „Sozialdemokrate“) verteidige ich das Recht aller Fotografinnen und Fotografen der Welt, von den großen bürgerlichen Medienkonzernen eine entsprechende Abgeltung für die Arbeitskraft, die in ihren Bildern steckt, zu bekommen. Die „Werktätigen mit der Linse“ müssen ja auch von etwas leben ;-).

Andererseits brauchen wir für eine emanzipatorische Gegenöffentlichkeit starke Bilder. Wir werden sie wohl selber machen müssen. Ein erster Schritt wäre heutzutage sowas wie ein Pool von „radikalen“ Stockfotos, auf die Medien der Gegenöffentlichkeit zurückgreifen können. Also Fotos, die einer Creative Commons License unterliegen und ausschließlich für Publikationen im Interesse der arbeitenden Menschen verwendet werden dürfen.

Unrealistisch? Ich glaube nicht. Schreibt mir eure Meinung zu diesem Vorschlag.

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