Ja, Wien hat sich in den letzten Jahren wirklich zu einer internationalen Tribüne für die zeitgenössische Fotografie gewandelt. Neben einer zunehmenden Zahl qualitativ hochwertiger Ausstellungen (auch abseits der bekannten Galerien und Museen) hat die Photo+Adventure als Publikumsmesse dazu beigetragen, die heimische Szene zu beleben.
Was am 9. und 10. November 2019 in der Halle B der Messe Wien zu sehen war, bildete jedenfalls nur die Spitze des Eisbergs. Die Gestalter der Messe, der Reisefotograf Oliver Bolch und der Historiker und Geograf Thomas Wiltner haben nicht nur ein Großevent mit über 200 Workshops, Gesprächen und Ausstellungen auf die Beine gestellt – ein beeindruckendes Rahmenprogramm und ein Fotowettbewerb flankierten die eigentliche Messe.
Die naheliegende Verbindung von Fotografie und Reise hat auch dieses Mal voll gegriffen. Vorträge wie „Geometry of Ice“ über Reisen und Fotografieren in der Arktis wurden durch Veranstaltungen wie Travel-Handyfotografie ergänzt. Fotowalks im Vorfeld, Workshops, teilweise von Kameraherstellern gesponsert und der erwähnte Fotowettbewerb zum umkämpften Begriff „Heimat“ seien ebenso erwähnt wie der Vortrag von Andreas H. Bitesnich über seine Fotokarriere oder die Werkschau von Lukas Beck.
In Halle B tummelten sich dann Schau- und Kauflustige. Ist 2019 das Jahr der „spiegellosen“? Vermutlich werden alle Besucherinnen und Besucher diese Frage ganz nach ihren eigenen Präferenzen beantworten. Wer auf spiegellose Kameras abfährt, wurde bei Sony, aber auch nahezu allen anderen Herstellern fündig. Wer die gute alte DSLR zu schätzen weiß, kam mindesestens ebenso sehr auf seine Rechnung.
Realistisch sei aber vermerkt: Kameras um die 4.000,– Euro muss man sich einmal leisten können, und wenn manche Gurus im Internet auf ihren VLogs Gehäuse um 2.500,– als „mittlere Preisklasse“ bezeichnen, ist das gut und schön, aber kaum ein Abbild der realen Kaufkraft.
Hier ein großes Lob den Organisatoren, die auch Händlern und Anbietern von second-hand-Geräten Platz gelassen haben. Und auch ein Dankeschön an jene Aussteller, bei denen auch Interessenten mit kleiner Geldbörse (und das auch gesagt haben) hervorragend beraten wurden.
Was für den sparsamen Amateur erwähnenswert ist: Mittlerweile bieten etliche Hersteller sehr leichte Carbonstative schon unter 70,– EUR an – das nur als Hinweis am Rande.
Generell habe ich, zumindest subjektiv, den Eindruck, dass es eine deutliche Akzentverschiebung hin zu „Ausrüstung“ und Accessoires gibt. Fototaschen und Fotorucksäcke, Outdoorbekleidung, natürlich Stative und Lampen nehmen ziemliche Flächen ein. Und dann natürlich: Fotodrohnen. Ein deutlicher Preisverfall und das bevorstehende Weihnachtsfest, Chanukka, was auch immer hat zum Belagerungszustand bei den Ständen der einschlägigen Hersteller geführt.
Mächtig wie immer war der führende Fotobuch- und Endfertigungsanbieter CEWE vertreten. Wie jedes Jahr konnte sich das Publikum vergewissern: Gute Qualität zu fairen Preisen ist leistbar (wer mehr sucht, konnte natürlich auch bei exklusiven Printanbietern stöbern).
Mein persönliches Highlight war der Besuch am Stand des Kreativstudios Pavel Kaplun. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Miho Birimisa stellte Kaplun u. a. das köstliche Buch „Zwei alte Säcke zum Stand der Portraitfotografie“ vor.
Übrigens: Die nächste Foto+Adventure in Wien findet am 31. Oktober und 1. November 2020 statt!
Kurt Lhotzky