Robert-Haas-Ausstellung: Streetphotography, made in Vienna

Noch bis zum 26. Februar kann man im Wien Museum am Karlsplatz die Ausstellung „Robert Haas – der Blick auf zwei Welten“ besichtigen.

Der 1898 in Wien geborene Robert Haas ist über lange Jahre hindurch als Fotograf in Vergessenheit geraten. Von seiner Ausbildung her Techniker, interessierte er sich schon sehr früh für Typographie und Drucktechnik. Aber auch Fotografie reizte ihn und so richtete er sich eine kleine Dunkelkammer ein.

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Gedränge an der Kassa im Wien Museum. Allerdings läuft parallel dazu (in der letzten Woche) mit „Sex in Wien“ die erfolgreichste Ausstellung des Hauses. 😉

In Wien gründete er mit Carry Hauser und Fritz Siegel im 3. Bezirk 1925 die „Officina Vindobonensis“, ein Atelier für künstlerischen Plakat- und Buchdruck.  Durch seine Tätigkeit als Grafiker kam er mit den Künstlerkreisen der 20er und 30er Jahre in engen Kontakt. Bei der bekannten Atelierfotografin Trude Fleischmann absolvierte er eine Ausbildung – es war zugleich der Beginn einer lebenslangen Freundschaft zwischen den beiden, die sich auch in der Emigration fortsetzte.

Zwei Jahre nach Beginn seiner Arbeit mit Fleischmann setzte  diese ihn freundschaftlich vor die Tür: ihrer Meinung nach konnte sie Robert Haas nichts mehr beibringen.

Allerdings beschritt der Schüler andere Wege als die Lehrerin. Er wandte sich von der Atelierfotografie ab und dem Fotojournalismus zu. Es entstanden berührende Fotoreportagen, unter anderem über einen Kindergarten in Simmering. Der apolitische Haas arbeitete für linksliberale Zeitschriften, die Theaterzeitschrift „Die Bühne“ und war auch beim Verkauf von Fotografien, die Nebenprodukte seiner grafischen Arbeit waren, sehr erfolgreich. Zugleich fotografierte er auch Straßenszenen des Alltags – ein Wiener Pionier der streetphotography, könnte man guten Gewissens sagen.

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Die Trude-Fleischmann-Ausstellung bahnte indirekt den Weg zur Wiederentdeckung des Archivs von Robert Haas. Auch dieser Katalog ist übrigens bei Hatje Cantz erschienen!

Aufgrund seiner hervorragenden Einbettung in die damalige Kulturszene wurde er Mitte der dreißiger Jahre offizieller Fotograf der Salzburger Festspiele.  Dort entstanden unter anderem berühmte Portraitfotos wie jene von Arturo Toscanini oder Marlene Dietrich.

1937 wurde ein großer künstlerischer Erfolg durch die politische Zeichen der Zeit überschattet. Im Auftrag der austrofaschistischen Regierung sollte er ein gewaltiges Österreichpanorama für den Pavillon auf der Weltausstellung in Paris gestalten. Kurz vor der Eröffnung der Ausstellung kam ein findiger Kulturbürokrat dahinter, dass Haas jüdischer Herkunft war. Also musste er einen „arischen“ Gehilfen aufnehmen, der an seiner Stelle das Landschaftsbild enthüllte.

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Seite aus dem Ausstellungskatalog. In Salzburg entwickelte sich eine enge Beziehung zwischen Haas und dem großen italienischen Dirigenten Arturo Toscanini

Spätestens ab diesem Zeitpunkt dürfte auch Haas klar geworden sein, wie gefährlich Europa für ihn bald werden könnte.

Er hatte in Wien einige Freundschaften auch zu amerikanischen Künstlern und Künstlerinnen geknüpft. Sukzessive schicke er ihnen sein komplettes Archiv – Negative, Filme, Abzüge, Notizen.

Als er 1938 Wien gerade noch rechtzeitig verlassen konnte, gehört er zu den wenigen Fotografen, deren Bestände nicht im Laufe des Krieges vernichtet oder verstreut wurden.

Zwar war New York das Ziel seiner Flucht, allerdings musste Haas aufgrund der Gegebenheiten einen Zwischenstopp in England einlegen. Dort hielt er sich mit Gelegenheitsarbeiten, unter anderem mit Werbefotografie, über Wasser. Als er 1940 nach Amerika kam, war die Arbeitssituation für einen Fotografen seines Hintergrundes schwierig. Seit 1933 waren emigrierte deutsche Fotografen nach Amerika gekommen und hatten sich feste Plätze bei Illustrierten und Agenturen erkämpft. Zwar hatte Haas, im Gegensatz zu vielen anderen Flüchtlingen, mit keinerlei Sprachproblemen zu kämpfen. Aber dafür war es schwer, adäquate Aufträge an Land zu ziehen. Einige Arbeiten für die kleine „Hartford Newsdaily“ waren unbefriedigend – zu schnelllebig waren die Themen, zu groß der Zeitdruck, und die Fotografen wurden nicht einmal namentlich genannt. Ab 1941 war ihm als „enemy alien“ ohnehin jede fotojournalistische Arbeit untersagt – dank einer Sondergenehmigung konnte er aber weiter Portraitfotos machen. So entstanden unter anderem Fotos von Albert Einstein und Oskar Kokoschka

Daher verlegte er sich zunächst auf das Unterrichten: am Black Mountain College in North Carolina unterrichtete er Typographie, Grafik und Fotografie. Er gründete wieder eine eigene künstlerische Druckerei, Ram-Press. Unter anderem produzierte er Ausstellungskataloge für die großen New Yorker Museen, darunter das Museum of  modern arts, MOMA.

Die Ausstellung in Wien und der Katalog tragen zu recht den Titel „Der Blick auf zwei Welten“. Die zwei Welten sind einerseits die Grafik und die Fotografie, andererseits aber auch die Fotos aus der „alten“ und der „neuen“ Welt. Vergleicht man seine Straßenfotos aus New York mit denen aus Wien, fällt die Distanz auf – der Emigrant Haas ging offenbar nicht so nahe an die Menschen heran wie in seiner Heimatstadt; zugleich merkt man, wie ihn bestimmte Elemente der New Yorker Architektur, allen voran die Wolkenkratzer interessierten, denen er sich häufig mit den Stilmitteln der „neuen Sachlichkeit“ näherte.

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Aus dem Ausstellungskatalog (genaue bibliographische Angaben am Ende des Beitrags!)

Obwohl Robert Haas immer wieder versuchte, sein Archiv nach Österreich zu verkaufen, gelang ihm das nie. Zwar fand 1983 im heutigen Museum für Angewandte Kunst (eine von Haas selbst kuratierte) Ausstellung über sein künstlerisches Schaffen statt, im Zentrum stand aber das grafische Werk, die Fotografie wurde nur gestreift. Erst posthum kommen die Fotos von Robert Haas wieder zurück: Der Wiener Fotohistoriker Anton Holzer stieß gemeinsam mit der Kuratorin des Wien Museums Frauke Kreutler auf den umfangreichen Nachlass, als er 2011 eine Ausstellung über Trude Fleischmann vorbereitete. Letztlich konnte das Wien Museum, mit finanzieller Unterstützung des Vereins der Freunde des Wien Museums, den Nachlass erwerben, der mehrere tausend Negative und Abzüge umfasst.

Der Katalog zur Ausstellung enthält neben biographischen und werkgeschichtlichen Beiträgen von Anton Holzer und Frauke Kreutler auch eine ausführliche Würdigung des grafischen Werks durch Ursula Storch. Wer die Ausstellung versäumt hat, kann sich also trotzdem einen hervorragenden Überblick über diesen großartigen Fotografen verschaffen.

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Robert Haas

Der Blick auf zwei Welten

Hrsg. Frauke Kreutler, Anton Holzer, Text(e) von Anton Holzer, Frauke Kreutler, Ursula Storch, Gestaltung von Caterina Krüger

Hatje Cantz-Verlag

2016. 200 Seiten, 219 Abb., 35,– EUR

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