Es war die Blütezeit des “American Century”, als ein hellwacher junger Schweizer, dem die Heimat zu miefig geworden war, amerikanischen Boden betrat. Robert Louis Frank wurde am 9. November 1924 in eine wohlhabende jüdische Kaufmannsfamilie in Zürich hineingeboren und lernte als Jugendlicher bei renommierten Grafikern und Fotografen in Zürich, Basel und Genf. Damals war er ein großer Bewunderer von Henri Cartier-Bresson – später wurde er einer der pronociertesten Kritiker des Magnum-Mitbegründers.
1947 wurde ihm das Alpenland zu eng. “Go west, young man”. Tatsächlich konnte er schnell Fuß fassen, und dank des Interesses, das er beim legendären Artdirector Alexey Brodovitch wecken konnte, bekam er in den folgenden Jahren Aufträge von stilbildenden Magazinen wie “Life”, “Vogue”, ”Look” und anderen.
Zwischen 1949 reiste Robert Frank nach England, Wales und Peru. Die Fotos, die er mitbrachte, band er zu kleinen spiralisierten Büchern – Exemplare davon bekam auch der Direktor des Bereichs Fotografie im Museum of Modern Arts (MoMa) in New York, Edward Steichen.
Der Fürsprache Steichens und Brodovitchs ist es zu danken, dass der junge Ausländer 1955 ein Stipendium der Guggenheim-Stiftung erhielt, mit dem er sein Traumprojekt erfüllen konnte: Eine Reise durch die USA, um das Leben der Amerikaner zu dokumentieren.
In einem schwarzen Ford Business Coupé legte Frank 10.000 Meilen zurück und schoss (nach eigener Zählung) 27.000 Fotos in 48 US-Bundesstaaten. 83 davon wählte er für eines der berühmtesten Fotobücher des 20. Jahrhunderts aus: “The Americans”.
1958 erschien “Les Americains” erstmals, und zwar in Frankreich, bei Robert Delpire. Die Ausgabe enthielt unter anderem Texte von Alain Bosquet, Simone de Beauvoir, Erskine Caldwell, John Dos Passos, Henry Miller, William Faulkner, John Steinbeck und anderen. Das entsprach nicht dem Konzept Franks. In der 1959 bei Grove Press erschienenen ersten amerikanischen Ausgabe sprachen die 83 Bilder für sich. Das Vorwort von Jack Kerouac ist insofern bemerkenswert, als Frank den Autor von “On the road” erst nach Abschluss seiner eigenen Reise kennen und schätzen gelernt hatte.
Die Aufnahme war – abgesehen von Fachkreisen – feindselig:
“Popular Photography nannte das Werk ‘bedeutungslose, unscharfe, körnige, schlammig aussehende Aufnahmen, betrunkene Horizonte und allgemein schlampig‘ und sagte weiter, Frank sei #ein freudloser Mann, der das Land, das ihn aufgenommen hat, hasst`“ (ausführlich dazu der Artikel von Charlie LeDuff in Vanity Fair.
LeDuff charakterisiert das Innovative bei Robert Frank folgendermaßen:
“Vor Frank war die visuelle Orientierung von Fotografien eindeutig, horizontal, vertikal.Der Gegenstand des Bildes war immer klar. Man wusste, um was es Iin dem Bild ging und was es sagen wollte. Frank. der undurchsichtige, kleine Mann kam daher und änderte die Winkel,erklärte Körnigkeit zur Tugend und obskure Belichtung zum Gewinn. Seine Bilder waren konfus; man wußte nicht, was man denken, auf wen oder was man sich konzentrieren sollte. Wichtiger war vielleicht, daß Frank die Fotografie intellektuell veränderte – das heißt, was ein Fotograf sehen sollte.”
Tatsächlich waren die Fotos in “The Americans” ein Schlag ins Gesicht der Verfechter des “American Century”. Man sah zornige alte weiße Männer, zornige junge schwarze Männer, heruntergekommene, verarmte Farmer, posierende Patrioten, Transverstiten und andere outcasts der damaligen Zeit. In einem Interview mit dem Times Magazine sagte Frank später:
“Meine Mutter hat mich gefragt: ‘Warum machst Du immer Bilder von Armen?’. Das war zwar nicht richtig, aber ich sympathisierte immer mit Menschen, die kämpften. Und dann gab es natürlich mein Misstrauen gegen diejenigen, die die Regeln machten”.
“The Americans” war ein Wendepunkt für Frank. Er wandte sich mehr und mehr dem Medium Film zu. 1959 drehte er den “Indiefilm”, wie man wohl heute sagen würde, “Pull my daisy”, der Motive von Kerouac aufgriff. Über 30 Filme folgten, der denkwürdigste wohl 1972 der von den Rolling Stones in Auftrag gegebene Dokumentarfilm über deren Tournee zum Album Exile on Main Street. Das Resultat – Cocksucker Blues – zeichnete ein ungeschminktes Bild von der Ödnis und unterschwelligen Aggression der Touries und der Band. Die Stones gestatteten nur stark eingeschränkte Vorführungen des Streifens und diese auch nur in Anwesenheit des Regisseurs.
Aus seiner ersten Ehe hatte Frank zwei Kinder, die Tochter Andrea und den Sohn Pablo. Andrea kam 1974 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, Pablo beging 1994 Selbstmord.
Bis zu seinem Tod in Inverness lebte Robert Frank abwechselnd in Nova Scotia (Kanada) und New York. Sein Werk wird auch nach seinem Tod ein Meilenstein in der Geschichte der Fotografie bleiben.
Kurt Lhotzky
Sehe ich genauso. Ein ganz Großer!