SUBJECTIVE OBJECTIVE
A Century of Social Photography
Bei Hirmer ist (in englischer Sprache) der Katalog zur Ausstellung “Subjective Objective” im Zimmerli Art Museum der Rutger Univerity (New Jersey) erschienen. Trotz der großartigen sozialdokumentarischen Fotografien im Umfeld der Farm Security Administration (Stichwort: Dorothea Lange, Walker Evans….) und der New York Photo League ist es hierzulande noch nicht in’s Bewusstsein gedrungen, wie international und polyglott die amerikanische Fotoszene auch im wissenschaftlichen Bereich ist.
Die Ausstellung im Zimmerli Art Museum zeigt, wie tiefgehend an manchen amerikanischen Einrichtungen die Beschäftigung mit dem Thema Fotografie geht. Bereits die kurze Einleitung von Donna Gustafson und Andrés Mario Zervigón zeigt, dass hier nicht Bekanntes wiederaufbereitet wird, sondern versucht wird, einen großen Bogen in der Darstellung zu schlagen. Dass es etliche Arbeiten von Bill Owens und einen kurzen Essay über ihn gibt mag weniger erstaunen. Der 1938 geborene Fotograf hat in den 70er Jahren mit seinen Schwarzweiß-Fotos im Zyklus “Suburbia” die sozialen Veränderungen in den USA brillant dokumentiert – den amerikanischen Traum vom Einfamilienhaus mit Auto davor zu eher kargen Stadträndern und Vororten mit Tendenz zur Verarmung.
Wer aber glaubt, dass darüber hinaus in den USA der Horizont beim New Deal und der Farm Security Administration aufhört, irrt gewaltig. Professor Zervigón arbeitet gerade an einer Geschichte der deutschen A-I-Z (Arbeiter-Illustrierten-Zeitung der 20er und 30er Jahre). Die von Willy Münzenberg herausgegebene A-I-Z stand zwar der KPD nahe, Münzenberg sicherte ihr aber innerhalb des Spektrums der deutschen Arbeiterbewegung eine relative Breite, sodass sie auch für sozialdemokratische oder parteiungebundene Arbeiterinnen und Arbeiter attraktiv war. Bekannt wurden die Fotomontagen von John Heartfield auf den Titelseiten der A-I-Z- Zergivón hat ja auch eine große Heartfield-Biographie herausgegeben. ). Und so finden sich auch Fotos von Hans Bresler und anderen deutschen Arbeiterfotografen in der Ausstellung.
Sowjetrussland ist unter anderem mit Bildern aus der berühmten “Familie-Filipow-Reportage” vertreten. Eine ganze Equipe hervorragender Fotografen “dokumentierte” das Leben einer Moskauer Arbeiterfamilie, natürlich, um die Vorzüge des “sozialistischen Aufbaus” à la Generallinie zu preisen. Um beim Name-Dropping zu bleiben zitieren wir aus der zu Recht stolzen Präsentation des Museums: Es finden sich “Werke von Berenice Abbott, Max Alpert, William Castellana, Walker Evans, Larry Fink, LaToya Ruby Frazier, Lewis Hine, Boris Ignatovich, Dorothea Lange, Igor Moukhin, Gordon Parks, Alexander Rodtschenko, Arthur Rothstein, Sebastião Salgado, Arkady Shaikhet, Aaron Siskind, W. Eugene Smith und Weegee”.
Wer sozialdokumentarische Fotografie schätzt oder kennen lernen will, ist mit diesem Buch bestens bedient.
Subjective Objective
A Century of Social Photography
Hirmer Verlag
366 Seiten | 51,30 EUR
Eine modifizierte Printversion dieses Beitrags erscheint in der BUCHSTABENSUPPE des Literaturbuffets