Brücken haben in der Kunstgeschichte und somit in der Fotografie eine reiche symbolische Bedeutung. Sie stehen oft als Metapher für die Verbindung zwischen verschiedenen Welten, sei es physisch, sozial oder spirituell. In der Fotografie haben Brücken diese Bedeutung übernommen und werden häufig verwendet, um Themen wie Übergang, Wandel und Kommunikation zu illustrieren. Die Struktur einer Brücke – die ihren Ursprung in der Funktionalität hat – wird durch die Linse eines Fotografen zu einem Objekt ästhetischer Kontemplation und konzentrierter Betrachtung.
Paris, durchzogen von der Seine, ist eine Stadt, die sich durch ihre Brücken auszeichnet. Diese Brücken verbinden nicht nur die Ufer der Seine, sondern auch die Geschichte und Kultur der Stadt. Von der Pont Neuf, der ältesten erhaltenen Brücke der Stadt, bis zur modernistischen Passerelle Simone-de-Beauvoir spiegeln die Brücken die architektonische und gesellschaftliche Entwicklung wider.
Die Pont Neuf, die älteste Steinbrücke von Paris, ist ein Symbol der Renaissance und der städtischen Erneuerung. Ihr Bau begann 1578 unter Heinrich III. und wurde 1607 unter Heinrich IV. fertiggestellt. Diese Brücke hat in der Kunst und Fotografie eine herausragende Stellung, nicht zuletzt wegen ihrer massiven Struktur und ihrer Lage im Herzen von Paris, in der Nähe des Louvre und der Île de la Cité. Berühmte Fotografen wie Eugène Atget haben die Pont Neuf in ihren Aufnahmen verewigt, wobei sie oft die Brücke als Symbol der Beständigkeit in einer sich ständig verändernden Stadtlandschaft darstellen.
Die Pont des Arts ist eine Fußgängerbrücke, die ursprünglich zwischen 1802 und 1804 erbaut wurde und die Louvre-Paläste mit dem Institut de France verbindet. Sie ist bekannt für die unzähligen „Liebesschlösser“, die Paare an ihren Geländern angebracht haben. Diese Brücke symbolisiert durch ihre Nutzung als Treffpunkt und durch die Hinterlassenschaften der Besucher die Beziehung zwischen dem Individuum und der Stadt.
Die Pont Alexandre III ist ein Paradebeispiel für den Belle-Époque-Stil und eine der aufwendigsten Brücken in Paris. Diese Brücke, 1900 eröffnet, verbindet die Champs-Élysées mit dem Invalidendom und wurde zu einem der ikonischsten Bauwerke der Stadt. Ihre prunkvolle Verzierung und die monumentalen Statuen, die sie schmücken, machen sie zu einem beliebten Motiv in der Fotografie, insbesondere bei Nacht, wenn die Beleuchtung die vergoldeten Skulpturen hervorhebt und die Brücke in ein magisches Licht taucht.
Die Fotografie in Paris hat eine lange Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Mit der Erfindung der Daguerreotypie in den 1830er Jahren wurde Paris zu einem der ersten urbanen Zentren, die umfassend fotografisch dokumentiert wurden. Brücken spielten in diesen frühen Fotografien eine zentrale Rolle, nicht nur wegen ihrer ästhetischen Qualität, sondern auch wegen ihrer Bedeutung als soziale und wirtschaftliche Knotenpunkte.
Ein Pionier der Pariser Stadtfotografie war Eugène Atget (1857–1927), dessen Werk die sich verändernde urbane Landschaft von Paris dokumentiert. Atgets Fotografien der Pariser Brücken sind nicht nur historische Dokumente, sondern auch poetische Darstellungen des Stadtlebens. Seine Arbeit zeigt, wie Brücken als Verbindungselemente in der Stadt dienen, während sie gleichzeitig als Symbol für den Wandel stehen, den Paris in dieser Zeit durchlief.
Henri Cartier-Bresson (1908–2004) fängt in seinen Bildern oft den flüchtigen Moment ein, in dem sich die Komposition und das Geschehen auf den Pariser Brücken zu einem bedeutungsvollen Ganzen zusammenfügen. Seine Fotografien von der Pont des Arts oder der Pont Alexandre III reflektieren die dynamische Beziehung zwischen Menschen und Architektur und zeugen von der Vitalität des städtischen Lebens.
Für zeitgenössische Fotografen ist das Motiv der Brücke ein Hebel, um übergreifende Themen wie Globalisierung, Migration und die Verschmelzung von Kulturen zu erkunden.
Und dann kommt ein Fotograf, geboren in Wien, aber durch elterliche Prägung und Neugier getrieben ein veritabler Weltbürger, und entdeckt für sich eine eigene Brücke in Paris. Wo denn sonst? Nicht umsonst haben Künstler aller Epochen, Philosophen, Emigranten und Journalisten die Seine-Metropole als „capitale du monde“, Hauptstadt der Welt, gefeiert.
Der Pont La Fayette ist so etwas wie der große Bruder jener Brücke, die Hans Fleischner seit über zehn Jahren immer wieder nach Paris lockt. Denn „seine“ Brücke ist nur ein paar Dutzend Meter entfernt, sie hat nicht einmal einen ordentlichen Namen, sie ist einfach Teil der Straße, die zwei Arrondissements miteinander verbindet. 1930 erbaut, ist sie ein schönes Beispiel einer funktionalen, geradlinigen Industriearchitektur. Da ist nichts verschnörkelt, es gibt keine lieblichen Figürchen, die Brücke ist dazu da, von A nach B zu führen. Das tut sie auf den Spuren des alten Aquädukts, das seit der Antike das frühere Lutetia mit Wasser versorgt hat.
Die stählerne Fachwerkbrücke hat in der Geschichte der Stadt keine Spuren hinterlassen. Wir wissen nichts von heroischen Kämpfen der Résistance gegen die Wehrmacht um diesen Übergang über die Gleise der Gare de l’Est; wir wissen nicht, ob am 17. Oktober 1961 auch dort protestierende algerische Arbeiter von Papons CRS totgeschlagen wurden oder ob im Mai 1968 Studenten dort eine Barrikade gebaut haben.
Was wir aber wissen, ist, wie diese Brücke aussieht, bei Tag und Nacht; was wir von dieser Brücke aus sehen können; welche Menschen über diese Brücke gehen; wie A und B aussehen. Das verdanken wir Hans Fleischner, der mit seinen Kameras Stadtgeschichte schreibt.
Kurt Lhotzky