Paradiesische Einblicke: Reiner Riedler im WESTLICHT

Wenn Sie einen österreichischen Fotografen kennenlernen wollen, dessen Fotos auf den Titelseiten so unterschiedlicher Publikationen wie dem „British Journal of Photography“ (BJP – immerhin mit Gründungsjahr 1854 das langgedienteste Fachmedium) oder der französischen Tageszeitung „Libération“ erschienen sind – dann auf in die Galerie WESTLICHT zur ersten Reiner-Riedler-Personale „This Side of Paradise“.

Kuratorin Rebekka Reuter und Reiner Riedler

Der 1968 in Gmunden geborene und heute in Wien ansässige Reiner Riedler ist – man kann es nicht anders sagen – seit seiner Jugend der Fotografie verfallen. Der Schulabbrecher arbeitete noch (oder schon?) als Teenager für Regionalblätter in seiner Heimatregion und, besuchte dann die Graphische in Wien, studierte und anderem Ethnologie und zeichnete sich primär durch eine überbordende Neugier aus.

Müsste man den Fotografen in eine der allseits beliebten Schubladen stecken, würde es wohl am ehesten die mit dem Etikett „Dokumentarfotografie“ werden. Aber natürlich ist das etwas zu vereinfacht. Das wirkliche Hauptmotiv Riedlers sind Menschen – sogar, wenn sie, wie bei dem Projekt WILL (mehr dazu unten), gar nicht im Bild sind.

Die Liebe des Fotografen zu Osteuropa ist in erster Linie durch seinen Zugang zu den Menschen geprägt. Statt Konsumismus und Eskapismus [also dem Drang, zu konsumieren und aus der Wirklichkeit zu fliehen] hat Riedler in Albanien, Russland und der Ukraine Menschen gefunden, deren Leben härter, deren Wesen aber offener ist als das der Menschen im Westen.

Fotos aus der Ukraine. Oberste Reihe 2. Bild von rechts: Dieses Foto wurde mehrmals für Buchcover zu Literatur aus und über Osteuropa verwendet

In den 90er Jahren ist Riedler durch die genannten Länder gereist. Sein Fotoband über Albanien war eines der ersten Werke über dieses abgeschottete Land, das lange Zeit hindurch sowas wie das Nordkorea Europas war. In Russland hatte es Riedler die Zirkuswelt angetan – und auch hier die Menschen, die im Zirkus auftreten. Ein einziges Foto zeigt (aus einer ungewöhnlichen Perspektive) eine Manege. Beeindruckend und angesichts der aktuellen Situationen doppelt berührend die Bilder aus der Ukraine.

Auf Initiative Riedlers findet in der WESTLICHT-Galerie eine Auktion zugunsten der Ukraine-Hilfe statt – versteigert werden Originalabzüge seiner Fotos, die übrigens bis heute immer wieder für Buchcover verwendet werden.

In einem kurzweiligen Vortrag von gut eineinhalb Stunden (ja, genau! Und das ist völlig unironisch gemeint!) hat der Fotograf am 16. März seinen fotografischen Lebensweg vorgestellt. Die Einleitung der WESTLICHT-Kuratorin Rebekka Reuter war gleich ein guter Anlass für Riedler zu zeigen, wie er in der Vorbereitungsphase von Ausstellungen seiner Bilder die Gruppierung und Hängung der Fotografien entwirft.

Zentral vorgestellt wurden natürlich die Langzeitprojekte „Fake Holidays“. „WILL – The Lifesaving Machines“ oder „The Veil of the Invisible, Portraits of Sweat“.

Fake Holidays

„Fake Holidays“ zeigt, wie leicht sich Menschen in eine künstliche Realität flüchten, wenn die Zutaten beisammen sind, die das emotionale Unterfutter für bestimmte Stimmungen bilden. Das frischgetraute Ehepaar in Shenzhen vor den Pyramiden und dem Eiffelturm wirkt richtig glücklich in diesem Ambiente (das kennen wir ja auch aus unserer Heimat, wo auch alle strahlen, wenn sie das Beste aus zwei Welten präsentieren dürfen).

„The Lifesaving Machines“ – jenes Projekt, dem das BJP einen ausführlichen Artikel widmete – zeigt die Ästhetik medizintechnischer Geräte, die dazu dienen, Leben zu erhalten und zu retten.

British Journal of Photography über „lifesaving machines“

Experimentell ist „Sweat“. Angeregt durch sein verschwitztes T-Shirt kam Riedler auf die Idee, Schweiß als Grundlage für lebensgroße Menschenbilder zu nehmen. Das Fraunhofer-Institut in München hatte zu gleichen Zeit ein Gewebe entwickelt, das diese „bildgebende Methode“ des Porträts ermöglichte. Daraus entstand auch ein außergewöhnliches Fotobuch, das zurzeit im Ausstellungszentrum der Foto Wien zu sehen ist.

Wer sich einen vollständigen Überblick über das vielfältige Werk Reiner Riedlers verschaffen möchte, sollte seine Homepage besuchen: http://www.photography.at/intermediate.html

Wer eine schön gestaltete Auswahl der Fotos Reiner Riedlers für die „Heimgalerie“ erwerben möchte, sollte unbedingt das von WESTLICHT herausgegebene Posterbook „This Side of Paradise“ erwerben (39,– EUR), das neben großformatigen Reproduktionen auch ein Gespräch zwischen Riedler und Rebekka Reuter bietet.

Kuratorin Rebekka Reuter

Die Ausstellung im WESTLICHT kann (und sollte!) noch bis 15. Mai besucht werden. Genaue Angaben zu den Öffnungszeiten auf der WESTLICHT-Homepage.

Kurt Lhotzky

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