Hier das dritte Gespräch mit Hans Fleischner – diesmal über seine Zeit in Tokio und die Arbeit(en), mit denen er seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Nie ganz sicher, immer prekär – ein ewiger Tanz auf der Schneide des Messers.
Einige Besucherinnen und Besucher meines Blogs haben sich erkundigt, warum es hier diese ausführliche Dokumentation über Hans Fleischner gibt, wie ich überhaupt auf diesen in der Öffentlichkeit wenig bekannten Fotografen gestoßen bin. Hier also ein paar Antworten:
Eigentlich ist ja Hans Fleischner auf mich gestoßen, und zwar im Literaturbuffet in der Leopoldstadt in Wien. Hans hat sich mit großer Sachkenntnis für die bei uns lagernde Literatur über die spanische Revolution (1931-1939) interessiert. Da war also jemand, der mit Organisationsnamen wie CNT/FAI oder P.O.U.M. etwas anfangen konnte, der über die Maitage in Barcelona 1937 Bescheid wusste – und en passant einfließen ließ, dass er für ein Foto- und Filmprojekt demnächst in die katalonische Hauptstadt reisen würde.
Damals war mein Interesse für Fotografie bestenfalls vage – aber die Gespräche mit dem offenbar weitgereisten und historisch bewanderten Herren waren bei jedem seiner Besuche in der Buchhandlung ein erfreulicher „Farbtupfen“.
Dann verloren wir uns eine Zeit lang aus den Augen – it was Corona-Time. Mittlerweile hatte sich aber die Fotografie immer mehr in mein Leben eingeschlichen, und jetzt interessierte ich mich natürlich auch für das mysteriöse Barcelona-Projekt Hans Fleischners unter fotografischem Blickwinkel. Auf seiner Homepage fand ich dann heraus, dass sein Vater 1937, im Alter von 22 Jahren, nach Spanien gegangen und in den Internationalen Brigaden gekämpft hatte.
Bisher haben wir übrigens noch keine Zeit gefunden, uns darüber zu unterhalten. Irgendwann im vorigen Jahr kamen wir wieder zusammen, es ging letzten Endes um technische Fragen bei der Veröffentlichung einer Art Retrospektive im Internet. Hans hatte sich entschlossen, nicht nur zahlreiche seiner Fotos, sondern auch Texte und Dokumente anderer künstlerischer Projekte online zu stellen. Hier könnt ihr die bisherigen Teile der Retrospektive sehen.
Mich faszinierten die Bilder, die ich sehen durfte, und die Publikationsidee. Das Fotobuch kann heutzutage viele Gestalten annehmen. Das liegt klarerweise an den Marktbedingungen. Da hilft kein Gerede vom „kulturellen Auftrag“ der Verlags- oder Buchhandelsbranche – im Kapitalismus ist alles Ware, und es muss verwertet werden. Dementsprechend ist es für Unbekannte, für Newcomer, für Menschen, die kein „networking“ betreiben, für alle außerhalb der ausgetretenen Pfade schwer, Verlage zu finden, die das Risiko einer Veröffentlichung auf sich nehmen (können). Oft ist es nicht böser Wille, der eine Buchidee im Keim erstickt, sondern die Einsicht in die Notwendigkeiten der Verkäuflichkeit.
Mehrmals habe ich auf complexityinaframe auf die wachsende Zahl von Fotobüchern und Foto-Zines im Selbstverlag hingewiesen. Was einerseits ein wichtiger Schritt zur Demokratisierung des Genres ist, kann andererseits für Fotografinnen und Fotografen ein dorniger und teurer Weg werden. Andererseits verlangen nicht wenige der renommierten Verlage von ihren Autorinnen und Autoren „Druckkostenzuschüsse“ – ungeschoren kommen die Künstlerinnen und Künstler also ohnehin nicht davon. Warum also nicht auf eigenes Risiko, aber auch mit völliger Oberhoheit, die eigenen Werke selbst veröffentlichen?
Hans Fleischer hat eine Methode gewählt, die ob des Umfangs beachtlich ist – elektronische Flipbooks, in denen sich tatsächlich blättern lässt. Angedacht ist, die Bücher bald auch gegen einen im Vergleich mäßigen Kaufpreis zum Download zur Verfügung zu stellen. Aber das führt schon wieder weit weg vom Thema dieses Beitrags.
Das war jedenfalls der Beginn etlicher Telefonate und Treffen, und daraus entstand die Idee, eine Reihe von Gesprächen als Videoserie für complexityinaframe aufzuzeichnen. Mir schwebten zwei Folgen à 30 Minuten vor – aber im Lauf der Gesprüche vor laufender Kamera zeigte sich rasch, dass wir damit nur einen kleinen Teil der wirklich spannenden Lebensgeschichte und fotografischen Projekte Hans Fleischners abdecken würden können. Dazu kam, dass bei jeder neuen Gesprächsrunde wunderbare Abschweifungen in die Geschichte und Theorie der Fotografie stattfanden.
Daher stehen wir heute bei Teil 3 unserer Serie über Hans Fleischner, und ich schätze, es werden noch drei weitere folgen. Und warum? Weil ich es kann. Weil complexityinaframe von keinen Sponsoren oder Werbekunden abhängig ist. Es ist herrlich, Dinge tun zu können, die einem Spaß machen. Auch technisch: Ich weiß, dass die Videos alles andere als perfekt sind. Man könnte an Beleuchtung und Akustik drehen, mit mehreren Kameras arbeiten, mehr „B-Roll“ verwenden…
Mein Ansatz ist hier eher moderat: Ich versuche, mit den Mitteln und den Kenntnissen, die mir zur Verfügung stehen, das beste zu machen, was mir (siehe oben) Spaß macht. Vor allem – es macht auch meinem Gesprächspartner Hans Fleischner Spaß. Also – bleibt dran! Die Geschichte geht weiter!