In Oslo zeigt die Galerie Balder fotografische Dokumente zur Geschichte Norwegens zwischen 1860 und 1900. Die Ausstellung ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil sie zeigt, wie die Fotografie ein Instrument zur Bildung einer nationalen Identität werden kann.
Hier ist nicht der Platz, um die komplizierte Geschichte Skandinaviens zu erzählen. Wesentliche Marksteine in der Geschichte Norwegens sind jedenfalls das Jahr 1814, als Dänemark nach der Niederlage Napoleons gezwungen war, die Herrschaft über Norwegen aufzugeben. Die durch den Kieler Frieden erzwungene Auflösung der Union und die erste verfassungsgebende Versammlung von Eidsvoll nahe Oslo am 27. Mai 1814 werden bis heute als norwegischer Unabhängigkeitstag gefeiert.
Aber die folgende lose Union mit Schweden konnte den dänischen Selbständigkeitsbestrebungen nicht gerecht werden. Ab den 50er Jahren entwickelte sich eine starke, nationalromantische Strömung, die daran arbeitete, die eigenständige norwegische Identität zu definieren und eine eigene Schriftsprache zu entwickeln.
Dem gegenüber stand eine sogenannte „skandinavistische“ Bewegung, die versuchte, das Gemeinsame zwischen den skandinavischen Völkern zu betonen und herauszuarbeiten. Für die norwegische Bourgeoisie hätte dies jedoch den Weiterbestand der schwedischen Vorherrschaft bedeutet. Und es war vor allem das städtische Bürgertum, das eine unabhängige Entwicklung favorisierte.
Letzten Endes sollten es die geografischen Schönheiten Norwegens sein, um die herum ein Nationalgefühl herausgebildet wurde. Die bergigen Landschaften, vor allem an der Westküste und die nördlichen Bergketten und Fjorde wurden rasch zu nationalen Symbolen. Dichter schrieben romantische Oden an die Landschaft und schufen Kunstlieder, die die norwegischen Berge und Küsten besangen. Erzählungen beschäftigten sich mit der heroischen Vergangenheit und der Norse-Mythologie.
Eine zentrale Stellung in der Ausstellung in der Galerie bei der in Oslo nehmen die Landschaftsfotos von Knud Knudsen (1832–1915) ein. Er eröffnete 1864 ein Fotostudio in Bergen. Er entwickelte einen eigenen künstlerischen Stil und wurde zum Trendsetter der norwegischen Landschaftsfotografie.
“Trendsetter” ist hier nicht zu hoch gegriffen, da Norwegen eines jener Länder in Europa ist, das auf eine frühe und lange Tradition von Amateurfotografen-Clubs zurückblicken kann. So wurde 1888 in Oslo ein Amateurfotografenverein gegründet, der binnen kurzer Zeit über 100 Mitglieder zählte. Wobei auch das große Interesse des Nationalen Tourismusverbandes eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung der Landschaftsfotografie spielte.
Nicht fehlen darf der größte Konkurrent Knudsens, der Schwede Axel Lindahl (1832–1906). Er machte schon Karriere in Schweden als Portrait- und Landschaftsfotograf , bevor er nach Norwegen übersiedelte. Vermutlich war es die Perspektive der wachsenden Bedeutung der Landschaftsfotografie in Norwegen, die ihn zum Ortswechsel bewog. Offenbar war es attraktiver, in einem neuen Land die Nummer Eins zu werden, als einer unter vielen in der Heimat zu bleiben. Vor allem seine Fotos von Alltagsszenen sind faszinierende zeitgeschichtliche Dokumente. Das gilt besonders für seine Aufnahmen von der samischen Bevölkerungsgruppe im Norden des Landes.
Offensichtlich von der landschaftlichen Schönheit Norwegens begeistert war auch der schottische Fotograf William Dobson Valentine (1844–1907). Er besuchte das Land mehrere Male und fotografierte monumentale Panoramen. Die Fotografien verkaufte er am wachsenden internationalen Markt. Leider wurden fast alle Negative von Valentines Fotografien aus Norwegen bei einem Brand 1961 vernichtet.
Sollte eine Leserin oder ein Leser von complexityinaframe die Möglichkeit haben, die Ausstellung zu besuchen würde mich ein Bericht, vor allem mit Fotos, freuen. Viel Spaß.
Fotografien aus der Sammlung der Galleri Balders
01.02 – 03.03.2019
Galleri Balder
Riddervolds gate 9, Oslo