Bekanntlich ist es der sehnliche Wunsch des österreichischen Innenministers Herbert Kickl, dass endlich wieder die heimische Polizei, beginnend in der ungeliebten „rot-grünen Bundeshauptstadt“ Wien, hoch zu Ross nach Recht und Ordnung sieht.

Dagegen haben sich aus unterschiedlichen Gründen kritische Stimmenerhoben.

Die Website der österreichischen GRUPPE KLASSENKAMPF hat dankenswerterweise auf ein historisches Bilddokument aus dem Umfeld der österreichischen Arbeiterfotografie hingewiesen:

„Im April 1930 veröffentlichte die österreichische sozialdemokratische Illustrierte “Der Kuckuck” ein Foto von Ernst Kleinberg mit folgendem Bildtext:

“Lichtbildkunst der Arbeiterphotographen: Der Polizeistaat”.

Hier das Bild:

Tatsächlich spiegelt das Bild – die Hinterteile zweier Polizeipferde und ihrer bewaffneten Reiter – in symbolischer Weise die “Staatsgewalt” wider, wie sie die Arbeiterklasse damals durch die christlichsoziale Regierung oft genug bei Demonstrationen und Streiks erfuhr.

1930 – 2018? Warum sehnt sich Herr Kickl ausgerechnet in Wien nach einer Polizeireiterei?“

Anmerkung: Ernst Kleinberg war allerdings 
kein Arbeiterfotograf, 
sondern ein Profi, der Pressefotos machte

Tatsächlich war die berittene Polizei der Arbeiterbewegung immer ein besonderer Dorn im Auge – denn gerade gegen Proteste und Streiks wurden die Polizisten auf ihren Gäulen besonders gerne eingesetzt.

Während der Auseinandersetzungen rund um das Urteil im Prozess gegen die Mörder von Schattendorf („Justizpalastbrand“ am 15. Juli 1927, 85 getötete Arbeiter und Arbeiterinnen, über 1.000 Verletzte) kam die berittene Polizei ebenfalls zum Einsatz:

Berittene Polizei vor dem Promenadencafé.
Demonstranten mit Latten und ein berittener Sicherheitswachebeamter auf einem sich aufbäumenden Pferd in der Auerspergstraße, Ecke Schmerlingplatz (Wien 1., Auerspergstraße 2, Schmerlingplatz 1).

Der oben erwähnte „Kuckuck“, der sich von der Bildsprache an der erfolgreichen deutschen Arbeiter Illustrierten Zeitung A.I.Z. orientierte, war ein sozialdemokratisches Organ. Die A.I.Z., von Willi Münzenberg gegründet, stand zwar der KPD nahe, war aber mit Einschränkungen trotz der sektiererischen Linie der Komintern und ihrer deutschen Sektion in den späten 20er Jahren ein „Blatt für die gesamte Arbeiterklasse“.

Beide Illustrierte berichteten mit teilweise eindringlichen Fotos über Arbeiterproteste in aller Welt – und über den Vormarsch des Faschismus und rechter Diktaturen. Hier ein Foto aus dem „Kuckuck“ vom 1. Mai 1932 in Budapest:

Die Redaktion kommentierte dieses Foto folgendermaßen (Der Kuckuck, 18. Dezember 1932, S. 15)

Eine klassische Lösung muss jedoch das Bild eines ungarischen Arbeiterphotographen, dessen Namen wir lieber nicht anführen, genannt werden, das kurz  „1. Mai in Budapest“ heißt. Be ­trachten Sie es genau. Zwischen den Pferdebeinen der Polizei die Demon ­stranten.  Kinder, Frauen und Männer. Durch die Kerkergitter Horthy-Ungarns gesehen.  Ein politischer Gedanke, ein historischer Zustand durch das Licht ­bild für jedermann verständlich und er ­schöpfend ausgedrückt. Ein ideales Photo für unseren Wettbewerb.“

Für sich spricht ein Bild aus dem Jahr 1933 (Kuckuck, 6. April)

Preussische Polizei übt den Einsatz gegen den inneren Feind

Ich will diesen kleinen fotografischen Streifzug nicht beenden, ohne in die Stadt zu blicken, die der Innenminister (mittlerweile liebevoll „Gaulreiter Kickl“ genannt) jüngst besuchte, um sich einen Eindruck von den Schönheiten der Polizeikavallerie zu machen: München.

Dort kam es ab Ende 1953 bis Frühjahr 1954 regelmäßig zu großen Demonstrationen und Protesten gegen eine Änderung der Ladenöffnungszeiten (hat da jemand 12-Stunden-Tag gesagt???). Vor allem der Konzern C & A tat sich bei den Angriffen auf die Arbeitszeit der Angestellten besonders hervor. Immer wieder kam es im Zuge der Proteste zu Konfrontationen zwischen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern auf der einen Seite und (berittener) Polizei auf der anderen.

27. 3. 1954, München: Berittene Polizei gegen Arbeiter und Angestellte

Soweit zu den historischen Erinnerungen, die Kickls Pläne wecken. Gut, dass engagierte Fotografinnen und Fotografen dieses Anschauungsmaterial hinterlassen haben.

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