FOTO WIEN: Im Museumsquartier

Am 26. Juli 2022 erschien die weltweit führende Modezeitschrift VOGUE mit einem Titelbild, das Annie Leibovitz fotografiert hatte. Dazu erschien der Artikel „Portrait of Bravery: Ukraine’s First Lady, Olena Zelenska“ (Porträt des Heldenmuts: Die First Lady der Ukraine, Olena Zelenska). Die Fotostrecke, wie immer von Annie Leibovitz perfekt choreografiert, zeigt das Ehepaar Zelesnky/Zelenska händchenhaltend bei einem Intarsientisch sitzend. In einem Raum, der mit militärischen Nachschubgütern befüllt ist. Die First Lady in blauem Kleid und Mantel mit Soldatinnen der ukrainischen Armee vor den Trümmern eines zerstörten Flugzeugs am Antonow-Flughafen …

Nicht nur in den USA gab es teils heftige Kontroversen um die Fotoreportage. Unmoralisch, so eine Homestory zu fotografieren, während im Hintergrund die Kanonen donnern, meinten die einen. Endlich erreichen die Bilder vom Krieg auch Menschen, die bisher die Augen davor verschlossen haben, war die Gegenposition. Dazwischen Fragen wie „Sollen wir dafür Waffen liefern, dass wir die Kleider von Zelenska bewundern dürfen“? Auf Twitter bekam der Kommentar „Romanticizing war isn’t it, Vogue?“ ein paar hundert likes.

Wie mächtig ist Fotografie in Zeiten der Krisen und Kriege? Wie manipulativ können Bilder sein? Spätestens seit Deep Fake und dem Hype um AI-generierte Bilder wagt niemand mehr ernsthaft zu behaupten, Bilder könnten nicht lügen.

  • FOTO WIEN widmet sich 2023 dem Thema „Fotografie lügt“. Der Diskurs wird auf verschiedenen Ebenen geführt: Wie hält die Fotografie unsere Welt in analogen und digitalen Bildern fest? Wer ist für die Produktion und Verbreitung von Bildern verantwortlich? Welche Wirkung haben Bilder auf uns? Welchen Bildern können wir vertrauen? Wie können wir verantwortungsvoll mit Fotografie umgehen? (Pressetext der FOTO WIEN)

Der Kurator und Leiter des FOTO ARSENAL WIEN, Felix Hoffmann, meint dazu: „Photography Lies, das Thema von FOTO WIEN 2023, geht von der Annahme aus, dass es keine wahrheitsgemäße Fotografie gibt“ – und behauptet, dass nichts wichtiger ist als die Wahrheit.

An den Opening Days fanden hochkarätig besetzte Panels und Publikumsdiskussionen statt, die sich mit der Wechselwirkung zwischen Fotografie und Politik auseinandersetzten. Bei der Eröffnungsveranstaltung zum Generalthema „Die Politik der Bilder“ diskutierten Adam Broomberg (London & Berlin), Sasha Kurmaz (Kyiv) und Susan Meiselas (Ney York/Magnum) unter der Moderation von Kateryna Radchenko (Gründerin der Odesa Photo Days) und Felix Hoffmann (Kunsthistoriker, Künstlerischer Direktor von FOTO ARSENAL WIEN & FOTO WIEN).

Am gleichen Abend diskutierten Sasha Kurmaz und Evgeniy Maloletka (beide aus Kyiv) darüber, wie man über die Kriege des 21. Jahrhunderts berichten /könne/solle/müsse.

Klar, der Überfall des imperialistischen Russland auf die Ukraine bildete fast zwangsläufig eine der Hauptachsen bei den Opening Days. Die 12 Veranstaltungen von Freitag, 2. Juni bis Sonntag, 4. Juni, die aber auch allgemeine Fragen der Rezeption von Fotografie und natürlich die unvermeidliche Debatte über AI behandelten, waren durch ihre geballte Anhäufung zugleich ein Härtetest für das interessierte Publikum.

In der Festival Base im Museumsquartier sind bis 20. August drei Ausstellungen zu sehen, die wesentliche Aspekte der Foto Wien behandeln:

  • Crossing Lines, Politics of Images“ richtet den Blick auf Grenzen und Grenzziehungen, um historische, kulturelle Crossing Lines und mediale Bezugssysteme freizulegen. Die Ausstellung untersucht in drei Kapiteln die Distribution, Zirkulation und Mechanismen fotografischer Bilder und beleuchtet speziell – ihren Einsatz in Nachrichtenkanälen oder Sozialen Medien. 150 Fotografien und Videoinstal lationen von 20 internationalen Künstler:innen. (Pressetext der Foto Wien)

Über 150 Fotografien, Grafiken und Installationen von 20 Künstler*innen zeigen sehr unterschiedliche Aspekte der angesprochenen Themen. Die kleine Bildergalerie gibt vielleicht schon ein paar Hinweise, zu welchen Teilen der Ausstellung mehr Informationen folgen werden (stay tuned!).

Freund*innen des Fotobuchs kommen bei der schön präsentierten Ausstellung der mit dem Paris Photo-Aperture PhotoBook Awards ausgezeichneten Bücher auf ihre Rechnung (Spoilerwarnung: unter den preisgekrönten Werken findet sich auch ein Buch des österreichischen Reflektor-Kollektivs).

Ein kleinerer Raum zeigt am Beispiel des Steidl-Verlags, wie Fotobücher entstehen.

Keine Sorge – das wird nicht der letzte Artikel zur FOTO WIEN sein. Ich wollte nur einen kurzen Überblick über die Ausstellungen geben, die man im Museumsquartier in Wien besichtigen kann (und auch besichtigen sollte). Es werden sowohl Beiträge zu einzelnen Segmenten der Ausstellung „Crossing Lines“ folgen, ebenso wie zum Konzept des European Month of Photography (EMOP), das bei uns durch die FOTO WIEN repräsentiert wird. Und natürlich auch Hinweise und Berichte zu kleinen und großen Ausstellungen im Rahmen dieses Events.

Kurt Lhotzky

Herzlichen Dank an die Presseabteilung der FOTO WIEN!

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