Seit ich mich intensiver mit Fotografie beschäftige, verfüge ich über eine wachsende Bibliothek einschlägiger Bücher: Handbücher zu meinen Kameras, Literatur über Bildaufbau, Bildbearbeitung, Geschichte der Fotografie, Theorie der Fotografie … Dann natürlich Bücher über bedeutende Fotografinnen und Fotografen – Cartier-Bresson, Miller, Abus…
Selbstverständlich gibt’s auch ein paar Werke über Geschichte des Fotojournalismus. Wie andernorts auf diesem Blog erwähnt: Ich habe mich erst sehr spät mit diesem Thema auseinander zu setzen begonnen, Dinge, die andere vermutlich längst kennen, sind für mich neu und überraschend.
Genauso ging es mir, als ich zum erstenmal auf Herrn M. Thibault gestoßen bin. Eigentlich hätte er mir in einem der neu erworbenen Bücher über Fotojournalismus entgegen springen müssen, denn ich sehe in ihm den „Vater“ des modernen Bildjournalismus. Vielleicht sind meine Bücher aber auch alle zu früh erschienen, denn die beiden Daguerreotypien vom Juni 1848 in Paris, genauer von der Rue St. Maur-Paupincourt, gelangten erst 2002 bei einer Versteigerung in die Hände der Musées Nationaux und befinden sich heute im Musée d’Orsay in Paris.
Beide Daguerreotypien zeigen vom gleichen Standort der Kamera aus die Barrikade. Am 25. Juni ist die Straße menschenleer. Nichts regt sich über der Rue St. Maur. Ist das die Ruhe vor dem Sturm? Oder waren da doch Menschen, die zwischen Barrikaden und Häusern hin- und herhuschten, aber zu flink waren, um von der Kamera mit ihrer langen Belichtungszeit festgehalten werden zu können?
Am 26. Juni ist die Straße belebt – siegreiche Nationalgardisten, welche die rebellische Straße genommen haben, und ihr schweres Kriegsgerät sind zu erkennen. General Lamrocière, der sich schon in Algerien durch seine Grausamkeit einen blutigen Namen gemacht hatte, machte nun den aufständischen Arbeiterinnen und Arbeiter in Paris den Garaus (5.000 Proletarierinnen und Proletarier kamen damals um’s Leben, 1.500 exekutiert, ohne Gericht).
Ich weiß nicht, wer M. Thibault war. Olivier Ihl, ein französischer Historiker, scheint nun etwas Licht auf diesen Fotografen geworfen zu haben, und ich werde mich bemühen, seinen Aufsatz zu ergattern und mehr über ihn berichten.
Denn die Zeitung L’Illustration veröffentlichte Anfang Juli 1818 beide Daguerreotypien als Holzschnitte, penibel vermerkt: Nach einer Daguerreotypie, um den Wahrheitsgehalt zu unterstreichen.
War das die Geburtstunde des Fotojournalismus?