Während die Mannschaften von Österreich und Ungarn bei der Fußball-EM aufeinander trafen (nein, wer jetzt auf den kalauernden Witz wartet, wartet vergebens!), füllte sich der kleine Leica-Store in der Wiener Walfischgasse zusehends mit Menschen:
Kein Wunder, immerhin war ein „meet&greet“ mit Manfred Baumann angesagt. In erster Linie ist der Wiener Fotograf für seine Porträts von internationalen Spitzenstars – Bruce Willis, John Malkovich, Natalie Portman, um nur einige zu nennen – bekannt. In den USA verhalf ihm das letzte Fotoshooting mit Tony Curtis vor dessem Ableben zum endgültigen Durchbruch.
Stark von Helmut Newton geprägt, ist Aktfotografie ein weiteres Feld von Baumanns Schaffen. Baumann, der Reisende, beeindruckt aber genauso mit Landschaftsaufnahmen.
Es wäre aber ungerecht, Manfred Baumann als „mondänen Gesellschaftsfotografen“ abzutun. Spätestens sein 2013 veröffentlichter Bildband „Live“ zeigt eine ganz andere Seite des „ungelernten“ Fotografen (er begann seine Berufslaufbahn bei Meinl am Graben und könnte noch heute lange Vorträge über verschiedene Käsesorten und alle Arten von Kaffee halten): ein Jahr porträtierte er Obdachlose und von der Gesellschaft an den Rand gestellte – Arme und Alte.
Dazu gab es die internationale Wanderausstellung AliVe. Besonders beeindruckend ist die starke Empathie, die aus den ungeschönten Porträts spricht. Hier wird nicht ein pittoreskes Bild einer selbstgewählten „fröhlichen Armut“ geboten – die zerfurchten Gesichter zeigen Menschen, zu denen die Welt nicht gut war, weil die Welt nicht gut ist.
Seit 2013 arbeitet Baumann mit National Geographic zusammen. Eines der Produkte dieser Zusammenarbeit ist der Fotoband End of Line- The last journey of death row inmates to execution. In Texas warten 300 Strafgefangene auf ihre Hinrichtung. Manfred Baumann hat zwei dieser Gefangenen begleitet, die in der Polunsky Unit, voneinander isoliert, ihrer staatlicher Tötung im 50 Kilometer entfernten Huntsville entgegensehen. Baumann setzt hier einen seiner Grundsätze konsequent um: „Das Unsichtbare sichtbar machen“. Immerhin finden sich in der Polunsky Unit vermutlich ebensoviele – sagen wir einmal vorsichtig: – Justizopfer wie Schwerkriminelle. Der Fotograf war oft glücklich, dicke Stahltüren zwischen sich und etlichen der Insassen zu wissen. Andererseits werfen seine Bilder Fragen auf – wie weit kann, wie weit darf der Rachegedanke der Gesellschaft gehen?
Die Zellen haben keine Fenster, nur kleine Lichtschlitze. Zu zwei der Todeskandidaten konnte Baumann ein enges Verhältnis aufbauen. Ihre Geschichten erzählt er ausführlich, sie lassen erahnen, was es bedeutet, jahrelang auf den letzten Weg zu warten. Und sie beschreiben auch eine der furchtbarsten Seiten der Isolation in ihren Zellen: Die Verweigerung jeglichen Körperkontakts, sogar mit den engsten Angehörigen.
Beim meet&greet ging es natürlich auch um Fragen wie: Kunstlicht versus natürliches Licht, welche Art von Ausrüstung für welches Setting, wie mit Models und Stars umgehen. Bezüglich der Fotoausrüstung erzählte der Fotograf auch eine seiner Lieblingsanekdoten über Helmut Newton, der nach einem hervorragendem Dinner in einem Spitzenrestaurant vom (selbst fotografierenden) Chef de Cuisine angesprochen wurde: „Sie machen so fantastische Aufnahmen – Sie haben sicher eine sehr teure Ausrüstung.“ Newton erwiderte: „Und Ihre Gerichte waren hervorragend! Sie verwenden sicher sehr teure Töpfe“.
Manfred Baumann präsentierte beim meet&greet sein neues Buch my world of photography 1991–2016. Ein sehenswerter Band – immerhin sichtete der Fotograf gemeinsam mit seiner Frau, die seine Projekte seit Jahren begleitet, 150.000 Fotos…