Ausstellungstipp: Vivian Maier in der Galerie Westlicht, Wien

Vivian Maier (1926-2009) gilt heute als eine der ganz Großen der Street Photography. Ein bisschen erinnert ihr Schicksal an jenes von Vincent van Gogh, der zu Lebzeiten kein einziges Bild verkaufen konnte. Inwieweit diese Assoziation berechtigt oder das Ergebnis einer bewusst gesteuerten Interpretation ihrer Biografie seitens eines der Käufer von Maiers Nachlass ist, sei dahingestellt.

Vivian Maiers fotografischs und filmisches Werk wurde erst nach ihrem Tod bekannt. Und dieses Werk umfasst unter anderem an die 100.000 teilweise nicht einmal entwickelte Negative; Tonbänder; 8mm Schmalfilme.

Die geheimnisvolle Nanny, die verarmt in einem Pflegeheim in Chicago starb, hatte geradezu manisch fotografiert.  Offenbar ließ sie ihre Schutzbefohlenen schon einmal in einem Park zurück, weil sie auf der Jagd nach einem guten Foto war. Und lange vor der Zeit des Selfie hatte Vivian Maier einen Hang zur Selbstdarstellung. Immer wieder gleitet sie in ihre eigenen Bilder hinein – manchmal als Schatten, dann als Spiegelbild. Bloß bekam im Gegensatz zum modernen Selfie niemand die Bilder zu Gesicht.

400 US-Dollar zahlte der junge Makler Maloof 2009, als die Besitztümer der mittellos verstorbenen Vivian versteigert wurden, für einen Kasten voller Negative. Auch Ron Slattery hatte einige tausend Filmrollen ersteigert. Als erste eingescannte Abzüge im Internet veröffentlicht wurden, löste das eine Lawine begeisterter Kommentare aus. Posthum hatte die männlich dominierte Street Photography ein weibliches Gesicht bekommen.

Ich will die bis heute andauernden Rechtsstreitigkeiten um die Veröffentlichungs- und Vermarktungsrechte am Werk Vivian Maiers ausblenden.Es soll hier in erster Linie um die Fotos gehen, die jetzt zum ersten Mal in Österreich  in der Galerie Westlicht ausgestellt werden. Es ist spannend, die Porträts, die einen nicht unbedeutenden Anteil ausmachen, mit denen von August Sander zu vergleichen, dem die vorhergehende Ausstellung gewidmet war. Maiers Porträts sind nicht „durchkomponiert“, es sind keine konzeptionellen Aufnahmen. Der Versuch, sie mit den Fotos von Diane Arbus in eine Linie zu stellen, geht aber meiner Meinung nach völlig daneben.  Bei Maier gibt es weder die Inszenierung der Porträtierten wie bei Sander noch ihre „Autopsie“ wie bei Arbus. Maiers Porträts enthalten für mich kein Quäntchen Bosheit. Sie sind ausgesprochen warmherzig und einfühlsam. Sie schlagen sich daher irgendwie mit den verbreiteten Erzählungen über die egomanische, mitunter fast grausame Nanny. Es sind gerade die Fotos von Kindern, die besonders packend und anrührend sind.

Vivian Maier hatte einen außergewöhnlichen fotografischen Blick. Motiv, Komposition, Licht verschmelzen auf vielen Aufnahmen zu einem perfekten Ganzen. In ihren letzten Lebensjahren stieg sie von monochrom auf Farbe um. Einige Aufnahmen bestechen durch den Einsatz von Farbakzenten, etwa durch die Dominanz einer Farbe gegenüber allen anderen.

Wer die Möglichkeit hat, diese Ausstellung zu besuchen, sollte sie unbedingt besuchen. Es ist eine kleine Fotoschule, die man absolviert, wenn man die liebevoll präsentierten Bilder betrachtet.

Die Ausstellung ist bis 19. August 2018 im Westlich zu sehen.

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