„Against Erasure: A Photographic Memory of Palestine before the Nakba“ ist ein eindringliches visuelles Zeugnis der palästinensischen Gesellschaft vor der Nakba, der „Katastrophe“ von 1948, auf die ich unten eingehen werde. Das Buch enthält eine Vielzahl von Fotografien, die das Leben der palästinensischen Menschen ab 1900 zeigen. Durch Bilder von Familien, Schulen, Gemeinden und Alltagsleben wird die reiche Vielfalt und das kulturelle Erbe Palästinas vor der Vertreibung von etwa 750.000 Arabern während des Krieges und der Gründung des Staates Israel dargestellt.
Obwohl es ausreichend Literatur gibt, die das blühende wirtschaftliche und kulturelle Leben in Palästina vor 1948 darstellt, hat sich dank intensiver propagandistischer Bemühungen zionistischer Organisationen und des Staates Israel in den Köpfen vieler Menschen das Bild festgesetzt, dass Palästina vor der Besiedlung durch die jüdischen Siedler der „ersten Aliyah“, also der Einwanderungswelle von 1881-1904, öde und leer war. Liest man etwa auf der Homepage der israelischen Botschaft in Bern nach (https://embassies.gov.il/bern/AboutIsrael/Pages/Aliya.aspx), erfährt man mit keinem Wort, dass das zum osmanischen Reich gehörende Palästina eine lebendige und blühende multiethnische Einheit war. Festgesetzt im weltweiten historischen Gedächtnis hat sich der entweder Theodor Herzl oder David Ben Gurion zugeschriebene Satz vom “Land ohne Volk für ein Volk ohne Land”, der die Gründung des kolonialistischen Siedlerstaates rechtfertigen sollte. Der Aphorismus stammt übrigens vom englischen Zionisten Israel Zangwill und wurde schon 1901 formuliert.
Die Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft, wobei Getreide, Oliven, Früchte und Gemüse angebaut wurden. Dieser Sektor war traditionell organisiert und basierte oft auf familiären Strukturen und kleinen Gemeinschaften. In vielen Teilen Palästinas gab es feudale Strukturen, in denen große Ländereien von lokalen Eliten oder Grundbesitzern kontrolliert wurden. Diese Eliten profitierten von der Ausbeutung der landwirtschaftlichen Arbeit durch Bauern und Pächter.
Städte wie Jerusalem, Jaffa und Haifa waren wichtige Handelszentren, in denen verschiedene ethnische und religiöse Gemeinschaften zusammenlebten. Handel und Handwerk florierten in diesen städtischen Zentren, und sie zogen Menschen aus verschiedenen Regionen und Ländern. Palästina war ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen, Religionen und Ethnien. Araber, Juden, Christen und andere lebten zusammen und teilten oft ähnliche Berufe und Lebensweisen. Während des 19. Jahrhunderts übten verschiedene Kolonialmächte, insbesondere das Osmanische Reich und später das Britische Empire, Einfluss über Palästina aus. Dies hatte Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Verwaltung und die soziale Struktur des Landes.
Zur Geschichte der Fotografie in Palästina
Die Geschichte der Fotografie in Palästina ist faszinierend, weil sie eng mit der Entwicklung der Region, ihrem kulturellen Erbe und den politischen Ereignissen verbunden ist. Von den frühesten Fotografen des 19. Jahrhunderts bis hin zu den modernen Bildjournalisten des 21. Jahrhunderts hat die Fotografie in Palästina eine bedeutende Rolle bei der Dokumentation des Lebens, der Landschaften und der Konflikte in diesem umstrittenen Land gespielt.
Die Anfänge der Fotografie in Palästina lassen sich bis in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen, als die Technik der Fotografie noch in den Kinderschuhen steckte. So fotografierte der Franzose Frédéric Goupil-Fesquet Ende 1839, also nur ein paar Monate nach der Veröffentlichung von Daguerres Methode in Paris, Jerusalem. (Israel & Palästina, 1/2017, Fotografie in Israel/Palästina, Berlin, S. 10). Europäische Fotografen, Reisende und Forscher begannen, die Region zu bereisen und ihre Eindrücke mit Hilfe von Kameras festzuhalten. Ihre Aufnahmen zeigten oft architektonische Wunder wie die Altstadt von Jerusalem, religiöse Stätten wie die Klagemauer und die Landschaften des Heiligen Landes. Häufig waren ihre Motive religiös bestimmt. So wollte der britische Fotograf George Keith gemeinsam mit seinem Vater Alexander, einem Pfarrer, Beweise für biblische Wunder beweisen. Konsequent hieß das von ihnen herausgegebene Buch auch “Evidence of the Truth of Christian Religion” (Israel & Palästina, a.a.O., S. 11)
Während des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, als Palästina unter osmanischer Herrschaft stand, trugen lokale Fotografen und Studios dazu bei, das Leben in den Städten und Dörfern der Region festzuhalten. Porträtfotografie war besonders beliebt, und zahlreiche Fotostudios eröffneten in Städten wie Jerusalem, Bethlehem und Jaffa. Diese Fotografien bieten heute einen einzigartigen Einblick in das Alltagsleben und die kulturelle Vielfalt Palästinas vor einem Jahrhundert.
Armenier hatten einen bedeutenden Einfluss auf die Fotografie in Palästina, insbesondere während des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Dies war eine Zeit intensiver kultureller, politischer und wirtschaftlicher Interaktionen zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gemeinschaften in der Region. Die besondere Rolle von armenischen Fotografen war auf einen Modernisierungsschub im Osmanischen Reich zurückzuführen. 1863 ernannte Sultan Abdulaziz I. die Betreiber des “Abdullah Fréres Studio” zu Hoffotografen. Damit wurde die Fotografie auch in einer Weltregion aufgewertet, in der die bildliche Darstellung von Menschen und Tieren oft auf religiöse Barrieren stieß. Die drei armenischen Brüder, die das Studio betrieben, wurden zu Bahnbrechern. Der Liberalismus gegenüber Angehörigen des armenischen Volkes endete aber schon 1876/77 nach der Niederlage des türkischen Reichs gegen Russland. Alle demokratischen und nationalen Bestrebungen nichttürkischer Bevölkerungsschichten wurden brutal unterdrückt.
Viele Armenier waren in der Fotografie als Berufsfotografen, Techniker oder Druckereiunternehmer tätig. Einige von ihnen kamen als Flüchtlinge noch vor dem Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915 nach Palästina und brachten ihre fotografischen Fähigkeiten mit sich. Andere wiederum waren bereits etablierte Fotografen in ihren Heimatländern und ließen sich später in Palästina nieder. Sie trugen nicht nur zur kommerziellen Fotografie bei, sondern spielten auch eine wichtige Rolle bei der Dokumentation des Alltagslebens, der kulturellen Veranstaltungen und der historischen Ereignisse in Palästina. Ihre Studios waren oft Orte der Begegnung und des Austauschs zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen, und ihre Fotografien bieten heute wertvolle Einblicke in die Vielfalt der palästinensischen Gesellschaft zu dieser Zeit.
Stellvertretend genannt seien hier nur Elia Kahvedjian (* 1910 in Urfa; † 1999 in Jerusalem) und Garabed Krikorian. Kahvedjian war ein bekannter armenischer Fotograf, der in Jerusalem tätig war. Er gründete ein Fotostudio in der Altstadt von Jerusalem und dokumentierte das Leben in Palästina, insbesondere die ethnische Vielfalt der Bevölkerung und diverse Feierlichkeiten. 1948 versteckte er sein Archiv, das erst 1987 wiedergefunden wurde und eine reiche Geschichtsquelle darstellt.
Garabed Krikorian (1847-1910) war ein armenischer Fotograf, der im späten 19. Jahrhundert in Jerusalem arbeitete. Seine Fotografien bieten wichtige Einblicke in das Jerusalem jener Zeit und zeugen von der kulturellen Vielfalt und den religiösen Traditionen der Stadt.
Darüber hinaus spielten armenische Fotografen eine wichtige Rolle bei der Ausbildung und Förderung lokaler Talente in Palästina. Sie gründeten Fotoschulen, lehrten Techniken und teilten ihr Wissen über die Kunst des Bildermachens. Dadurch trugen sie zur Entwicklung einer eigenen palästinensischen Fotografie-Community bei, die sich im Laufe der Zeit weiterentwickelte und die bis heute aktiv ist.
Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass Angehörige eines Volkes, das Opfer eines Genozids war, einem Volk, das Opfer eines Völkermords werden sollte, die Fotografie brachten.
Unter den autochthonen palästinensischen Fotograf*innen sei besonders Karimeh Abbud (1893-1940) erwähnt, die zu den ersten arabischen Fotografinnen zählte. Ihre Studioporträts von Frauen und Kindern vermitteln bis heute ein plastisches Bild der palästinensischen Mittelschichten. In den 30er Jahren dürfte sie mit der Widerstandsbewegung gegen die britische Kolonialmacht sympathisiert haben. Auch von ihr sind Fotos in “Against Erasure” enthalten.
Khalil Raad (1854-1957) war ein libanesischer Fotograf, der als “Palästinas erster arabischer Fotograf” gilt. Sein Werk umfasst zehntausende Postkarten und über 1.230 Fotos auf Glasplatten. Nachdem seine Mutter aus religiösen Gründen nach Jerusalem gehen musste, erlernte Khalil beim oben erwähnten Garabed Krikorian die Fotografie. Zum Leidwesen seines Lehrherren eröffnete er 1890 in der Jaffa Road genau gegenüber von Krikorians Studio sein eigenes Unternehmen (allerdings heiratete Garabeds Sohn, der 1913 das Studio seines Vaters übernahm, später die Nichte Khalils, wodurch sich das Konkurrenzverhältnis in familiärem Wohlgefallen auflöste). Khalil Raad heiratete eine Schweizerin, mit der er später in Talibiyya, damals ein Dorf in der Nähe von Jerusalem, lebte. Raad setzte seine fotografische Arbeit fort, die politische Ereignisse, das tägliche Leben und große archäologische Ausgrabungen in Palästina zum Gegenstand hatte. Sein Fotostudio wurde bei den zionistischen Angriffen auf die Stadt 1948 zerstört, und die Familie war gezwungen, zunächst für einige Monate nach Hebron und dann in Raads Geburtsdorf Bhamdoun zu flüchten.
Zeitgenössische palästinensische Wissenschaftler wie Walid Khalidi stehen Raads Werk kritisch gegenüber. So sollen etliche seiner Postkarten aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg der Propaganda des osmanischen Gouverneurs in Palästina gedient haben. Auch seine starke Betonung biblischer Motive wird als Indiz für eine Zusammenarbeit mit zionistischen Kreisen interpretiert. Demgegenüber vertritt die niederländische Anthropologin Annelies Moors die Position, dass Raad politisch desinteressiert war und seine Arbeiten rein kommerziell auf ein touristisches Publikum ausgerichtet waren.
In der modernen Ära hat die Fotografie in Palästina eine neue Dimension durch soziale Medien und digitale Technologien erfahren. Palästinensische Fotografen nutzen Plattformen wie Instagram und Facebook, um einem globalen Publikum ein anderes Bild zu vermitteln, als es die israelische Regierung mit unerhörtem Aufwand täglich tut. Darüber hinaus haben internationale Fotojournalisten weiterhin die komplexe Realität des israelisch-palästinensischen Konflikts dokumentiert, wobei ihre Bilder eine wichtige Rolle bei der Aufklärung der Weltöffentlichkeit über die Situation in Palästina spielen.
Nur am Rande erwähnt sei das Fotokollektiv Activestills, das aus palästinensischen und israelischen Fotograf*innen besteht, die eine Verschiebung von klassischen Fotojournalismus hin zum visuellen Aktivismus praktizieren. Ihr Ziel ist es nicht, das “Leiden Anderer zu betrachten”, sondern durch ihre Fotografie eine aktive Rolle beim Kampf gegen die Besatzung und das für das Recht des palästinensischen Volkes zu spielen.
Wie wirksam Bilder im Widerstand gegen die Okkupation sein können hat Muna El-Kurd mit ihrem Instagram-Account gezeigt, der sich zu einem wichtigen Instrument gegen die Vertreibung der Palästinenser*innen aus dem Stadtteil Sheikh Jarrah in Jerusalem entwickeln konnte. Nicht zuletzt, weil El-Kurd mit satirischen Elementen und einer witzigen Bildsprache das Anliegen der palästinensischen Bevölkerung “knackiger” vermitteln konnte als durch lange theoretische Erklärungen.
Insgesamt spiegelt die Geschichte der Fotografie in Palästina nicht nur die technologische Entwicklung dieses Mediums wider, sondern auch die historischen und kulturellen Veränderungen in der Region. Von den frühen Pionieren bis hin zu den heutigen Bildjournalisten bleibt die Fotografie ein kraftvolles Mittel, um Leben und Leiden der Menschen in Palästina festzuhalten, zu verbreiten und weltweit die Proteste gegen den Genozid in Gaza und im Westjordanland zu untermauern.
Zum Buch “Against Erasure”
Teresa Aranguren und Sandra Barrilaro, zwei international bekannte Fotografinnen aus dem Spanischen Staat, haben sich seit langem auf soziale Themen und Menschenrechte konzentriert. Ein besonderes Interesse galt und gilt Palästina, und so entstand “Against erasure”. Die erste Ausgabe des Buches erschien 2016 in Madrid.
Angesichts des derzeitigen völkermörderischen Angriffs der israelischen Armee gegen die Bewohner*innen des Gazastreifens ist es verständlich, dass Haymarket Books (New York) gerade jetzt eine englische Ausgabe des Buches herausbrachte.
Einen Großteil der Fotos hat der in Haifa lebende Historiker Johnny Mansour beigesteuert. Kind einer palästinensischen Familie, die während der Nakba flüchten musste, hat sich Mansour der Bewahrung der Geschichte des palästinensischen Volkes gewidmet. Dazu gehört neben oral history-Projekten auch die Sammlung von Privatfotos, teilweise Alben, die komplette Familiengeschichten erzählen.
Klarerweise war der Zugang zur Fotografie auch in Palästina eine Klassenfrage. Wir sehen daher viele Zeugnisse des Lebens der einheimischen Mittelschicht.
Trotzdem geben die Bilder einen wesentlich breiteren Einblick in die palästinensische Realität, wenn man sie intensiv betrachtet und analysiert. So wird deutlich, dass Palästina immer unter dem Stiefel von Großreichen lebte – erst dem Osmanischen Reich, dann dem britischen Empire.
Die Fotos aus den 30er Jahren, vor allem jene aus der Zeit des Großen Arabischen Aufstands (1936-1939), zeigen, dass die Repressionsmaßnahmen der Besatzer eine blutige Kontinuität aufweisen: die Zerstörung ganzer Stadtviertel zur Strafe für die Teilnahme Einzelner am Aufstand etwa.
Aufgelistet im Buch finden sich die Namen von 418 palästinensischen Dörfern, die während der Nakba dem Erdboden gleichgemacht oder von jüdischen Siedlern übernommen und mit neuen hebräischen Namen versehen wurden. Etliche der im Ausland gerne als Muster einer egalitär-sozialistischen neuen Gesellschaft propagandistisch verkauften Kibbutzim wurden buchstäblich auf den Trümmern der Häuser der ursprünglichen Bevölkerung Palästinas errichtet.
Die Nakba – eine Begriffsbestimmung
Das arabische Wort „Nakba“ bedeutet „Katastrophe“ oder „Desaster“. Es bezieht sich speziell auf die Ereignisse, die sich zwischen der Bekanntgabe des Teilungsplans für Palästina 1947 und nach der Gründung des Staates Israel und dem darauf folgenden Krieg zwischen den arabischen Staaten und Israel 1949 ereigneten.
Die Nakba bezeichnet den Exodus und die Vertreibung von etwa 700.000 – 800.000 palästinensischen Arabern aus ihren Heimatorten und -gebieten. Wie der israelische Historiker Ilan Pappe in seinem Buch über die ethnische Säuberung Palästinas zeigt, begann die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung also schon lange vor der Staatsgründung Israel und war eine logische Konsequenz der zionistischen Ideologie über eine Staatsbildung in Palästina.
Viele der Vertriebenen fanden Zuflucht in den angrenzenden arabischen Ländern, wo einige von ihnen bis heute in Flüchtlingslagern leben. Die Anerkennung der Nakba und die Forderung nach Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge in ihre Heimatorte sind weiterhin zentrale Themen.
Die Haganah und die Sternbande waren paramilitärische zionistische Organisationen, die während des Konflikts zwischen Juden und Arabern vor der Gründung des Staates Israel eine bedeutende Rolle spielten. Während des Unabhängigkeitskrieges von 1947 bis 1949 waren beide Organisationen in verschiedene Kampfhandlungen verwickelt, bei denen es auch zu Massakern an der palästinensischen Bevölkerung kam.
Das Deir Yassin Massaker (1948): Eines der bekanntesten und kontroversesten Massaker während des Unabhängigkeitskrieges war das Massaker von Deir Yassin, das am 9. April 1948 stattfand. Die Haganah, unterstützt von der Irgun und der Lehi (Sternbande), griff das palästinensische Dorf Deir Yassin nahe Jerusalem an. Während des Angriffs wurden schätzungsweise zwischen 100 und 120 palästinensische Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, getötet. Das Massaker von Deir Yassin erlangte internationale Aufmerksamkeit und trug zur Vertreibung zahlreicher palästinensischer Gemeinden bei, da es Angst und Schrecken unter der palästinensischen Bevölkerung verbreitete.
Das Massaker von Balad al-Shaykh (1947): Am 31. Dezember 1947 griffen bewaffnete jüdische Milizen, darunter Mitglieder der Haganah und der Irgun, das palästinensische Dorf Balad al-Shaykh im nördlichen Teil des heutigen Israels an. Während des Angriffs wurden etwa 60 palästinensische Bewohner getötet.
Das Massaker von al-Tantura (1948): Am 22. Mai 1948 eroberten Einheiten der Haganah das palästinensische Dorf al-Tantura an der Küste nördlich von Haifa. Während und nach der Eroberung kam es zu schweren Übergriffen auf die palästinensische Bevölkerung, bei denen zahlreiche Menschen getötet wurden. Schätzungen zufolge wurden zwischen 70 und 200 palästinensische Zivilisten ermordet.
Diese Massaker sind nur einige Beispiele für die Gewalttaten, die während des Unabhängigkeitskrieges von verschiedenen jüdischen paramilitärischen Gruppen gegen die palästinensische Bevölkerung verübt wurden. Sie stehen symbolisch für die Brutalität und die Gräueltaten, die bis heute mit dem Begriff Nakba verbunden werden.
In Israel ist die Nakba weitgehend ein Tabuthema. 2008 wurde die Verwendung des Begriffs in Schulbüchern für arabische Kinder verboten. Andererseits verwenden zionistische Siedlerorganisationen und Vertreter der faschistischen Parteien den Begriff, um der palästinensischen Bevölkerung zu drohen. Vor allem nach dem 7. Oktober 2023 griffen auch Abgeordnete des Likud-Blocks immer wieder zum Drohbegriff “Nakba”, um die ihnen vorschwebende ethnische Säuberung Palästinas zu beschreiben.
Zur Auswahl der Fotos
In ihrem Text zur Auswahl der Fotos schreibt die Fotografin Sandra Barrilaro:
“Solange die Besatzung Flüchtlinge produziert, müssen wir uns weiterhin erinnern, weil Erinnerungen nicht kolonisiert werden können und weil in der Beschwörung Macht liegt, denn wie kennen, wie der palästinensische Dichter Mahmoud Darwish uns erinnert, die Angst der Eindringlinge vor Erinnerungen.
In Kenntnis großartiger Fotosammlungen aus der Zeit vor 1948 wie Walid Khalidis “Before Their Diaspora” oder dem Werk des gelehrten Elias Sanbar, “The Palestinians”, beschloss ich zusammen mit der Journalistin Teresa Aranguren, der lebendigen Erinnerung eines Volkes ein Sandkorn hinzuzufügen; dem Palästina, das vor der Katastrophe, der Nakba, existierte. Wir müssen die Erinnerung aufrechterhalten, die Bilder, die mit Licht gezeichnet wurden, in neuem Licht erscheinen lassen und Fotos aus dem privaten Bereich veröffentlichen, von Familien und Freundschaften, Menschen, die in Cafés zusammensaßen, zu einer Zeit, als das Gewebe der Gesellschaft auf eine andere Weise gewoben war. Fotografien aus einer Zeit, in der die Banalisierung des Bildes weniger allgegenwärtig war.”
“Against Erasure” ist ein Buch, das gerade heute enorm wichtig und beeindruckend ist. Vor allem wirft es eine Frage auf: Ist die Nakba wirklich vorbei?
Kurt Lhotzky
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