Das Syndikat der Pressephotographen, Pressebildagenturen und Filmreporter Österreichs feiert seinen 70. Geburtstag.
In der Galerie Westlicht in Wien ist aus diesem Anlass
eine Leistungsschau des heimischen Bildjournalismus zu sehen – und die ausgestellten Bilder lassen sich tatsächlich „sehen“. Die große und kleine Geschichte der 2. Republik wird lebendig, und der Betrachter stellt fest: „Das Bild kenn‘ ich doch“ – aber den Namen der Fotografin, des Fotografen, die das Foto geschossen hat???
Das scheint einer der Flüche der Pressefotografie zu sein – und in den Eröffnungsreden haben sowohl Westlicht-Gründer Peter Coeln, Syndikat-Generalsekretär Axel Hubmann, der langjährige Pressefotograf und Bildredakteur Gerhard Sokol und der Vorstand des Instituts für Publizistik der Universität Wien Fritz Hausjell auf die Probleme der Bild- und Filmjournalisten hingewiesen: Die Prekarisierungstendenzen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen, weil immer mehr kommerzielle Medien auf „Leser-Reporter“ setzen. Die Demokratisierung der Fotografie durch die Massenverbreitung von Kameras (ja, in erster Linie der Handycams!) verlockt dazu, „Amateuraufnahmen“ den professionellen Fotos von Reportern vorzuziehen. Das drückt natürlich auf die Preise der Profijournalisten.
Ein weiteres Problem sind Einschränkungen der Presse- und Berichterstattungsfreiheit. Der von Henri Cartier-Bresosn entlehnte Titel der Ausstellung „Der entscheidende Moment“ gibt wie ein Vektor an, worum es geht: Der „gelernte“ Fotoreporter hat das geschulte Auge, den Instinkt für die Situation, ein Verständnis für das „Bild hinter dem Bild“. Das kann mitunter Wahrheiten sichtbar machen, die unbehaglich sein können.
Fritz Hausjell hat in seiner Eröffnungsrede eine Reihe Beispiele aus Österreich angeführt, wobei eine der mutmaßlich künftigen Regierungsparteien (es gilt die Unschuldsvermutung!) im Fokus der Versucht steht, kritische (Foto)Journalisten an der Berufsausübung zu hindern. Das verheißt nichts Gutes für die Zukunft. Auch der mutmaßlich nächste Bundeskanzler (hier gilt ebenfalls die Unschuldsvermutung) zeigt, wohin der Hase hoppelt und wo der Auslöser klickt, wenn er bei seinen „Konsultationsgesprächen“ Fotojournalisten ausschließt und dafür nachträglich von einem eigenen Hoffotografen produzierte Bilder an die Presse verteilt.
Dennoch – bestimmte Thesen, die in den Reden aufgestellt wurden, sollen nicht unwidersprochen bleiben. Wie jede Berufsvereinigung hat das Syndikat der Pressephotographen, Pressebildagenturen und Filmreporter Österreichs die Tendenz, sich zum Maß aller Dinge zu machen. Die wissenschaftliche Flankendeckung durch Fritz Hausjell geht hier teilweise in die falsche Richtung. Tatsächlich kann man den „Amateurschnappschuss“ eines zufälligen Augenzeugen eines „entscheidenden Moments“ nicht dadurch abtun, indem man ihm abspricht, den Kontext dieses Augenblicks nicht erfasst zu haben. Als buchstäbliches „Killer-Beispiel“ erwähne ich nur den Zapruder-Film. Wir sind hier bei einer inhaltlich-konzeptionellen Debatte, die ich in meinem Text über die Arbeiterfotografiebewegung anzureißen versucht habe.
Die Demokratisierung der Fotografie könnte meiner Meinung nach ganz im Gegenteil eine Qualitätsverbesserung der fotojournalistischen Arbeit ermöglichen, würde man den Umgang mit visuellen Medien zum Bestandteil einer modernen Allgemeinbildung machen. Das heißt nicht, dass jeder Besitzer einer Handycam eine neue Gerda Taro oder ein neuer Robert Capa ist. Individuelle Fähigkeiten und Begabungen werden immer zu herausragenden Ergebnissen führen, was aber im Umkehrschluss nicht bedeuten kann, dass man nicht allen Menschen die Möglichkeit gibt, die Grundlagen der Bildgestaltung zumindest kennen zu lernen. Nochmals: Einer Entqualifizierung wird hier nicht das Wort geredet, ganz im Gegenteil.
Die Frage der Bezahlung hängt weniger davon ab, dass es viele „schlechte und billige Fotografen“ gibt, sondern davon, in wessen Hände die Medien konzentriert sind, und inwieweit der hehre journalistische Anspruch nicht bloß das moralische Feigenblatt für Profitgier durch Sensationen ist.
Wer Zeit und Gelegenheit hat, sollte jedenfalls bis zum 5. November in die Galerie Westlicht schauen. Er oder sie wird es nicht bereuen.
Hervorragende Ausstellung, auf die österreichs Fotografen durchaus stolz sein können. Wir brauchen uns international nicht verstecken. Interessant ist freilich der Rückblick auf immerhin 70 Jahre des Berufsverbandes, bei dem auch Nostalgie pur aufkommt.
Gut Licht für die kommenden 70 Jahre.
Heinz Kurt Rintelen
Leider sind solche Ausstellungen immer mit einem riesigen organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden. Schön wäre es, wenn man eine derartige Leistungsschau trotzdem regelmäßig auf die Beine stellen könnte, und sei es nur alle drei oder fünf Jahre. Vielleicht findet sich ja da auch einmal ein Sponsor…